Wir erhalten unerwarteten Besuch im Tal. Ein älteres Ehepaar aus dem Dorf Debren bittet die Tierärzte im Einsatz, ihrem Esel zu helfen. Auch wenn dieser nicht auf der Liste unseres Hilfsprogramms steht, können wir nicht nein sagen.

Die Eheleute berichten, dass ihr brauner Esel Jeff seit zwei Tagen weder aufgestanden ist noch gefressen hat. Grund genug, um sofort aufzubrechen und nach dem Patienten mittleren Alters zu sehen.

Wie beschrieben, treffen wir den offensichtlich schmerzgeplagten Jeff auf dem Boden liegend an. Wie in dieser Region nicht unüblich, ist auch dieser Stall klein, dunkel und deprimierend. Immer wieder betonen wir die Wichtigkeit und schlussendlich auch den Nutzen einer artgerechten Unterbringung der Esel. Wie auch dieses Beispiel zeigt, stossen unsere Worte aber oft auf taube Ohren.

Die Untersuchung in der geradezu gespenstisch anmutenden Dunkelheit bestätigt unseren Verdacht, dass Jeff unter sehr starken Koliken leidet.

Jeff wird von drei Familien versorgt, was keine Ordnung oder Beständigkeit in seiner Ernährung bedeutet. Er erhält zu unterschiedlichsten Zeiten jenes Futter, welches das jeweilige Familienmitglied gerade zur Hand hat. Doch auch hier bewahrheitet sich, dass verschiedene Köche den Brei verderben; abrupte Ernährungsumstellungen führen oft zu schlimmen Koliken. Weitere Nachfragen ergeben, dass Jeff aus Unwissenheit seiner Besitzer zuckerhaltiges Futter bekommt, was alles meistens noch verschlimmert.

Bevor wir mit der eigentlichen Behandlung beginnen, verabreichen wir Jeff einige starke Mittel gegen die äusserst schmerzhaften Koliken.

Fünfzehn Minuten später versuchen wir, den Esel zum Aufstehen zu bewegen – leider ohne Erfolg. Nach weiteren fünfzehn Minuten klappt es. Aufgrund des Bewegungsmangels und kalten Bodens ist Jeff völlig steif, schwankt und wackelt. Dennoch schafft er es nach einer Weile, auf seinen vier Füssen zu stehen. Langsam und mit sanften Aufforderungen führen wir ihn schliesslich an die frische Luft.

Hier können wir eine gründlichere Untersuchung durchführen.

Abgesehen von den Koliken sind auch Jeffs Hufe in einem schlimmen Zustand. Wir nehmen aber eins nach dem anderen in Angriff und kümmern uns zuerst um seine quälenden Krämpfe.

Wir fahren mit der eigentlichen Behandlung fort; eine Infusion wirkt in solchen Fällen wahre Wunder.

Sie stärkt und spendet Feuchtigkeit.

Kurz darauf tritt bereits die Wirkung ein, was Jeff durch selbstbewussteres Auftreten zeigt. Wir wagen uns weiter hinaus - Zeit für einen etwas längeren Spaziergang.

Spaziergänge sind wesentlich bei der Behandlung von Koliken. Eine von Jeffs älteren Betreuungspersonen freut sich ganz besonders über die Anzeichen der Besserung und übernimmt diese wichtige Aufgabe. Motiviert schreiten Mensch und Tier der Genesung entgegen.

Einige Tage später schauen wir erneut nach Jeff. Zwar sieht er insgesamt besser aus, humpelt aber merklich beim Gehen. Eine mögliche Diagnose: Hufrehe, die ebenfalls auf die unregelmässige und mangelhafte Ernährung zurückzuführen ist.

Der schlechte Zustand der Hufe ist auch Jeffs Allgemeinbefinden nicht förderlich. Wir trimmen sie und bringen sie in die richtige Form. Während wir arbeiten, klären wir Jeffs Besitzer weiter über die geeignete Ernährung auf, damit seinem Gefährten künftig solche Leiden erspart bleiben.

Nach entsprechender Instruktion übergeben wir ihm ein entzündungshemmendes Medikament für zehn Tage.

Wenn Jeff Glück hat, wird sein Zustand nicht chronisch. Mit Prognosen sind wir vorsichtig, zumal es für solche noch zu früh ist. Wir versprechen jedoch, Jeff in absehbarer Zeit wieder zu besuchen und seine Verfassung im Auge zu behalten.