Aus den verschiedensten Landesregionen gehen bei den Tierärzten im Einsatz immer wieder Meldungen mit der Bitte um Hilfe ein. Wir versuchen stets, diesen nach besten Kräften gerecht zu werden und jedem Esel oder anderem Tier in Not beizustehen.

Oft fällt es jedoch schwer zu glauben, was man sieht. Wir werden durch einen Anruf auf ein speziell verwerfliches Angebot auf einer Social-Media-Website aufmerksam gemacht. Einem zum Verkauf stehenden Gebrauchtwagen ähnlich, wird ein gebrochen wirkender Esel angepriesen. Unser erster Gedanke: Ein schlechter Witz! Weit gefehlt, wir erleben ein weiteres Beispiel eiskalter und skrupelloser Behandlung eines empfindsamen Lebewesens.

Glücklicherweise gibt es nebst solch herzlosen auch mitfühlende und eingreifende Menschen! Besagter Anruf kam von einer Dame, die zufällig auf die entwürdigende Ausschreibung gestossen und entsetzt war. Sie kaufte kurzerhand den Esel und fragte, ob wir ihn aufnehmen könnten. Zwar sind wir voll ausgelastet, weisen aber nie ein Tier ab.

Obwohl als gesundes Jungtier angeboten, handelt es sich um eine über 30-jährige, unterernährte und ängstliche Eselin. Was sie alles durchgemacht hat, weiss nur sie – es bleibt ihr vermutlich unschönes Geheimnis. Da sie aus dem Dorf Karlukovo stammt, nennen wir sie Karry.

In der ersten Woche fürchten wir, die Schlacht gewonnen, den Krieg aber verloren zu haben. Ob es am Stress durch die ganze Veränderung, dem traurigen Vorleben oder ihrem Alter liegt – so oder so, ist es ein harter Start für Karry. Sie ist depressiv und lethargisch, was sich u. a. durch Appetitlosigkeit äussert. Wir sorgen für etwas Aktivität und warmes Futter.

Nach und nach bringen wir Karry wieder auf die Beine. Sie erhält speziell feine Leckerli, nahrhafte Infusionen mit Vitaminen und eine besonders sanfte Behandlung.

Eines sonnigen Tages wagt sich Karry weiter hinaus, erkundet vorsichtig die Umgebung und geht auf Nahrungssuche. Einige Wochen später ist sie über den Berg, hat neue Freunde und ein glückliches Leben im Tal der Esel gefunden.