15 KINDER UND EINE AUSSERGEWöHNLICHE MUTTER

14 May 2025

Die erste diesjährige Kastrationsaktion der Tierärzte im Einsatz beginnt mit einem Paukenschlag.

Beim Öffnen der Klinik stehen unsere Nachbarn vor der Tür. Sie betreiben ein Blumengeschäft und bitten uns, ihnen zu folgen. Unterwegs erzählen sie, dass in ihrem Schuppen ein streunender Hund geworfen hat, und wir «etwas tun» sollten. Sie befürchten, dass die mit der Zeit unabhängiger werdenden Welpen in die Gewächshäuser eindringen und Schaden anrichten.

Vorsichtig nähern wir uns dem Gebäude. Die Mutter kennen wir nicht und gehen davon aus, dass sie ihre Kleinen beschützt, möglicherweise sogar aggressiv reagiert. 

Wir begegnen einer grossen, schwarzen Hündin und ihren genüsslich saugenden Welpen. In ihrem sanften Blick liegt eine Mischung aus Vorsicht, Neugier und Verletzlichkeit. 

Wir lassen der ca. vierjährigen Mama Zeit, uns zu studieren und sich zu vergewissern, dass wir keine Bedrohung darstellen, sie ihre Kleinen ruhig kurz allein lassen und weggehen kann. Vor rund zwei Tagen waren die fünf Welpen noch blind, es ist daher zu früh, um sie mitzunehmen. Die Nachbarn willigen schliesslich ein, die Familie noch etwas länger im Schuppen zu lassen; im Alter von 50 Tagen werden wir uns eingehend um die Tiere kümmern. Entwurmen, entlausen, impfen sowie die Suche nach einer Pflegefamilie und einem definitiven Zuhause stehen dann auf dem Programm.

Einige Wochen später sind wir zurück und staunen. Anstelle der erwarteten fünf tummeln sich neun stattliche, hübsche Welpen vor ihrem «Geburtsort».

Wie versprochen sammeln wir sie ein. Natürlich darf auch die Mutter nicht fehlen.

Zeit, sich eventuellen Parasiten zu widmen. Nicht die angenehmste, aber eine sehr wichtige Arbeit.

Mutter und Kinder sind unzertrennlich. Die liebevolle Mama scheint zu spüren, dass wir ihr und den Kleinen helfen und keinen Schaden zufügen wollen.

 Nach einigen Tagen erhalten die Welpen ihre erste Impfung.

Die Mutter wird zuletzt geimpft. Sie ist eine bemerkenswerte junge Hündin, die intuitiv Situationen richtig einzuschätzen vermag. Zudem fallen sowohl ihr ansprechendes Äusseres als auch das ruhige, vertrauensvolle und doch kontaktfreudige Wesen auf – die ideale Begleiterin.

Die Kleinen werden stets selbständiger und streifen durch die nahen Felder. Am Ende des Tages müssen wir sie jeweils von überall her einsammeln; sie können nicht länger auf dem Grundstück bleiben. Eine Woche nach der Impfung ist es ohnehin Zeit, sich von der Mutter zu trennen. Unsere Freunde von «Little Paws of Nevrokop» nehmen sie auf, obwohl ihr Tierheim überfüllt ist. Eine weitere Herausforderung, für so viele Welpen ein Zuhause zu finden, zumal sie bestimmt sehr gross werden. Die Mutter muss in Banichan bleiben – es hat schlichtweg keinen Platz mehr im Heim.

 Erneute Mutterpflichten 

Zufall oder Schicksal? Einen Tag nach der Übersiedlung der Welpen ins Tierheim zieht ihre Mutter auf dem Hof bei unserer Klinik ein. Dann geschieht Unerwartetes - Lyubka, unsere treue Freiwillige vor Ort, findet frühmorgens ein Paket vor ihrer Tür. Sie traut ihren Augen nicht: sechs hilflose Welpen in einer Kiste. In der Hoffnung, dass unsere bestandene Mutter sie annimmt und zumindest vorübergehend noch Milch hat, bringt sie die Welpen in die Klinik.

Unsere befreundete Freiwillige Marianne aus der Schweiz passt auf sie auf, während Lyubka die Neugier der künftigen Ersatzmutter für die Kleinen zu wecken versucht.

Zwar nicht begeistert, will es diese schliesslich doch wissen.

Während die erneute Mutter Lyubkas Streicheleinheiten geniesst, lässt sie die unverhofften Babys geduldig und ruhig trinken. Mit «Mammy» haben wir den passenden Namen für das liebenswerte Tier gefunden. 

Epilog

Leider geht Mammy mit der Zeit die Milch aus. Sie zurückzulassen, während wir unsere Kampagne abschliessen, ist für uns keine Option. Lyubka bringt sie daher in ihre Heimatstadt Sandanski zurück und versucht, eine Pflegefamilie und möglichst bald eine dauerhafte Lösung zu finden.

Drei Monate später erfahren wir, dass alle Welpen aus dem ersten Wurf adoptiert wurden. Es folgen weitere gute Nachrichten – auch die sechs «fremden», von Mammy gesäugten Kleinen haben ihr hoffentlich lebenslanges Zuhause gefunden. Nur die sowohl bezüglich Körper- als auch Herzensgrösse aussergewöhnliche (Ersatz-)Mutter der 15 Jungen wartet noch immer auf ihre(n) Menschen …

WIR SIND AUF IHRE HILFE ANGEWIESEN