EINEM GERETTETEN ESEL SCHAUT MAN (ERST NICHT) INS MAUL

27 Januar 2023

 

In vielen Sprachen gibt es das Sprichwort «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul» - dies mit gutem Grund. Das Alter von Pferden und Eseln lässt sich an ihren Zähnen ablesen, doch wäre es unangebracht, ein Geschenk sogleich auf diese Art zu inspizieren.

Ein weiterer Aspekt des Sprichworts, der wahrscheinlich im Laufe der Zeit in Vergessenheit geriet, bezieht sich allgemein auf die Zähne von Equiden wie Pferde und Esel. Als diese in früheren Zeiten vorwiegend als Arbeitstiere eingesetzt wurden, kannten unsere Vorfahren die verborgene gesundheitliche Gefahr im Maul ihrer Tiere bereits. So entstand das Sprichwort und die Metapher nahm ihren Lauf.

Im Tal der Esel sind wir stolz auf die ganzheitliche Pflege, die wir unseren geretteten Tieren bieten können. Letztes Jahr berichteten wir u. a.  in unserem Newsletter mehrmals über Behandlungen von Eseln mit Zahnproblemen (Kemals Zahn-Alptraum). Was Sie aber nicht wissen ist, wie die Tierärzte im Einsatz ihre Fachkenntnisse auf dem komplexen Gebiet der Zahnpflege für Equiden erweitern. Kompetente und erfahrene Fachleute sind auf diesem Spezialgebiet der Tiermedizin nicht leicht zu finden.

Eine solche versierte Fachperson ist die Schweizer Tierzahnärztin Johanna Probst. Aufgrund der Covid-Pandemie schien ihr Besuch im Tal der Esel allerdings frühestens im 2021 möglich. Während unsere Ärzte die Esel wie bisher auch zahnärztlich bestens versorgten hofften wir alle sehr, dass es mit dem Besuch klappen würde, sie ihr Wissen erweitern und dazulernen könnten. Und es hat geklappt!

Wir sind der beruflich sehr eingespannten Zahnspezialistin und ihrer Assistentin sehr dankbar für die wertvolle Zeit, in der sie ihr Fachwissen unseren bulgarischen Tierärzten weitervermittelt. Dreissig Esel werden für Behandlungen ausgewählt; alle Tierärzte haben Gelegenheit, ihre bisherigen Erfahrungen im «dental floating» zu vertiefen.

('Floating' bedeutet das Entfernen scharfer Spitzen an der Backenseite der oberen und der Zungenseite der unteren Zähne).

Mit der guten Ausrüstung, deren Anschaffung unsere Spendenden ermöglichten sowie Johannas speziellen Geräten können wir unsere Arbeit optimal erledigen. Gemeinsam untersuchen wir jeden Esel genau, besprechen die jeweiligen Besonderheiten und die beste Vorgehensweise. Es werden zwei Arbeitsstationen eingerichtet, wo sich die Tal-Tierärzte und Johanna die Arbeit teilen. Unser Team profitiert dabei sehr von Johannas grossem Wissen.

Während der unter Narkose durchgeführten Zahnbehandlung werden die Esel ständig überwacht und gut versorgt. Damit sie ruhig bleiben sind ihre Augen abgedeckt, und für den Fall auftretender Schmerzen stehen sie stets unter Beobachtung. Jede Behandlung nimmt einige Zeit in Anspruch, doch Esel sind geduldige Tiere, und der Nutzen überwiegt bei weitem allfällige Unannehmlichkeiten. Ein intaktes Gebiss ist für eine gute Ernährung von Equiden entscheidend. Ist es in irgendeiner Art geschädigt, kann dies zu verschiedenen, manchmal gar tödlich endenden Gesundheitsproblemen führen.

Die Tage vergehen schnell, und die Tiere sprechen sehr gut auf die in kameradschaftlicher Atmosphäre durchgeführten Behandlungen an. Alle sind mit dem Ergebnis zufrieden, und noch vor dem Ende von Johannas Besuch planen wir bereits die nächste Zahnkontrolle.

Jetzt kann unseren geschenkten Eseln getrost ins Maul geschaut werden! Dank dieser wertvollen, weiterbildenden Unterstützung können unsere Tierärzte die Zähne der im Tal lebenden Esel selbst fachgerecht behandeln.

Ohne Spenden wäre auch solche Arbeit im Tal nicht möglich, und unzählige Esel würden wie vor dem Einsatz unseres Teams weiterleiden. Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen und grosszügiges Engagement!

Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen