MANOL: ZUR RICHTIGEN ZEIT AM RICHTIGEN ORT

18 Juli 2023

Bevor er nach einigen Monaten zur vertrauten Erscheinung wird, ist jeder streunende Hund «der Neue in der Stadt».

Die Bevölkerung der ländlichen Dörfer der Region Gotze Delchev kennt die auf der Strasse lebenden Hunde meistens vom Sehen, Namen oder von der «Adresse» her - Hunde halten sich zumeist im selben engeren Umkreis auf.

Auch diesbezüglich ist Manols Geschichte aussergewöhnlich...

Anlässlich einer Kastrationskampagne sind wir in unserer Klinik rund um die Uhr am Arbeiten, als sich uns plötzlich ein erschütterndes Bild bietet: Ein völlig verzweifelt scheinender Hund in schrecklichem Zustand kommt aus dem Nichts auf uns zu.

Manol, ein ca. siebenjähriger Schäferhund-Mix, ist ein wirklich trauriger Anblick - abgemagert, mit fehlenden Fellbüscheln und nackten Hautstellen. Sein ganzes Wesen wirkt mutlos und unglücklich.

Überraschenderweise kennt ihn niemand. Es ist äusserst selten, dass ein Hund seines Alters in ein neues Dorf kommt. Obschon wir unsere Kampagnen alle paar Monate und nicht wöchentlich durchführen, geschieht dies wundersamerweise genau jetzt, wo wir in der Nähe arbeiten. Als wäre es seine letzte Überlebenschance findet Manol auch unsere Klinik im Dorf. Und die erstaunlichen «Zufälle» nehmen ihren Lauf…..

Es ist nicht schwer, Manols Vertrauen zu gewinnen. Bereitwillig folgt er uns in die Klinik und erkundet diese neugierig. Wir lassen ihm ausreichend Zeit, alles zu beschnüffeln.

Wir machen mit ihm einen Spaziergang über den Klinikhof. Er ist folgsam und ruhig, testet aber interessiert all die neuen Gerüche.

Es ist nicht zu leugnen, dass wir es hier mit einem sehr hübschen "Jungen" zu tun haben. Er hat eine schwere Zeit hinter sich.

Zurück in der Klinik untersuchen wir ihn genauer - unser erster Eindruck bestätigt sich.

Manol wird für die Kastration vorbereitet. Die Narkose ist eine gute Gelegenheit für eine noch gründlichere Untersuchung.

Für einige Tests braucht es eine Blutentnahme.

Wie befürchtet sind die Ergebnisse nicht erfreulich. Manol hat Leishmaniose, eine unheilbare, durch Parasiten ausgelöste Krankheit. Das erklärt seine schlechte Verfassung; Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust zählen zu den Hauptsymptomen. Hätte Manol die Tierärzte im Einsatz nicht gefunden, wäre seine Lebenserwartung bei wenigen Monaten gelegen - ein erstaunlich optimales Timing.

Leishmaniose ist zwar unheilbar, kann aber mit der entsprechenden medikamentösen Behandlung unter Kontrolle gehalten werden. Auch dies ist mit nicht vorgesehenen Kosten verbunden, weshalb finanzielle Unterstützung erst recht stets willkommen ist. In solchen Fällen wird uns indessen das Glück, für Hunde wie Manol da sein zu können, erneut bewusst. Es ist jede einzelne Spende, die unseren Einsatz für auf der Schattenseite lebende Tiere erst möglich macht.

Manol scheint das zu spüren. Wir beschliessen, ihn im Tal der Esel zu behalten, zumal er da die beste Pflege bekommt. Aufgrund der grossen Ansteckungsgefahr ist freilassen keine Option. Er erhält eine spezielle Leishmaniosetherapie, die künftig Teil seines Lebens sein muss. Bei Absetzen der Behandlung kommt es häufig zu Rückfällen, was bei Manol fatal wäre. Wir sorgen dafür, dass dies nicht passiert.

Drei Monate später

Wäre da nicht die einzigartige schwarze Augenklappe, würden wir Manol nicht wiedererkennen! Als er abgemagert, krank und verzweifelt zu uns kam fragten wir uns, wie wohl ein gesunder und glücklicher Manol aussieht. Ein paar Monate im Tal gaben uns die Antwort. Wie vermutet, ist er trotz seinen bald neun Lebensjahren ein prächtiger Hund, der ein wenig an ein Bärenjunges erinnert.

Dank guter Ernährung, medizinischer Behandlung und viel Zuneigung durch das Personal hat sich Manols Allgemeinzustand drastisch verbessert, und sein Gewicht liegt zwischenzeitlich im Normalbereich.

Manol hat bereits seine Routine gefunden: Jeden Morgen unternimmt er nach dem Frühstück und den Medikamenten einen langen Spaziergang durch das Tal. Er bewegt sich dabei stets langsam und manchmal ungeschickt, was vermutlich auf eine alte, unbehandelte Verletzung am rechten Hinterbein zurückzuführen ist.

Manol ist er ein anmutiger Hund, ein vornehmer Einzelgänger. Er ist es gewohnt, allein zu sein und sucht die Gesellschaft der anderen Hunde im Tal nicht. Unmissverständlich, aber niemals aggressiv erwartet er indes, dass sie seinen Freiraum respektieren. Wenn das Wetter es zulässt, liegt er den Rest des Tages in der Sonne, schläft oder schnüffelt herum. Bei kühleren oder nassen Verhältnissen verbringt er gemütliche Stunden in warmen Unterständen.

Die Menschen, die inzwischen zu seinem Leben gehören, sind Manol nicht gleichgültig. Er hängt offensichtlich an ihnen und zeigt seine Zuneigung. Zwar ist es nicht die Art und Weise, wie wir über unsere Arbeit denken, aber es ist ein schönes Gefühl zu ahnen, dass er seine Rettung durchaus zu schätzen weiss. Für uns ist es schlichtweg ein Geschenk mitzuerleben, wie Manol aufblüht und sein neues Leben geniesst.

Gut möglich, dass sich Manol ganz allmählich doch noch als Teil des Rudels wahrnimmt. Sein bisheriges Leben scheint Zugehörigkeitsgefühle nicht zugelassen zu haben. Täglich kommt er den Hunden und Eseln jedoch etwas näher - Manol soll weiterhin er selbst sein und sich für alles die nötige Zeit nehmen können.

Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen