In Bulgarien ist zwar das Tal der Esel das grösste Projekt derTierärzte im Einsatz, aber wir kümmern uns auch hier nicht nur um Esel...
...alle Tiere können auf uns zählen. Im Hochsommer braucht beispielsweise ein kleiner Raubvogel unsere Unterstützung.
Einheimische Vogelfreunde informieren uns, dass im örtlichen Altenheim ein Vogel auf dem Boden gefunden wurde und die besorgten Bewohner fachliche Hilfe für dessen Rettung benötigen.
In einer Kiste wird uns der Vogel - ein junger Turmfalke - gebracht.
Turmfalken sind kleine Raubvögel und gehören der Familie der Falken (Falconidae) an. Sie legen ihre Eier im Mai, nach vier bis fünf Wochen schlüpfen die Jungen. Rund einen Monat später verlassen diese das Nest. Jahreszeit sowie Grösse unseres neuen Patienten lassen auf ein Jungtier schliessen.
Wir untersuchen den Vogel, finden aber keine offensichtlichen Verletzungen. Die Tatsache, dass er auf dem Boden lag, ist jedoch sehr besorgniserregend. Im besten Fall war er aus irgendeinem Grund desorientiert, möglich wären aber auch eine noch nicht entdeckte Verletzung oder Krankheit. In diesem Fall könnte das Leben des jungen Turmfalken durch Raubtiere bedroht sein; zudem ist er noch jagdunfähig. Die Sterblichkeit bei jungen Turmfalken ist hoch, weshalb eine gute Versorgung äusserst wichtig ist.
Um seinen Zustand beurteilen zu können, bringen wir den Vogel vorerst in unserem grösseren Gehege unter. Möglicherweise wird er zur Beobachtung einige Tage im kleinen Käfig innerhalb des Geheges verbringen müssen. Wir sind gespannt, ob er Anzeichen von Stress zeigt oder sich sonst wie anders verhält als üblich.
Leider landet der Kleine wieder auf dem Boden, was nicht zwingend ein schlechtes Zeichen ist. Vielleicht ist er verwirrt. Es ist auf jeden Fall gut, bleibt er noch ein paar Tage zur Überwachung bei uns.
Morgens und abends wird unser gefiederter Gast gefüttert.
Wir legen etwas Futter auf den Käfigboden und stellen erfreut fest, dass er sehr gut frisst und sogar typische Anzeichen von Verteidigungsbereitschaft wie das Öffnen des Schnabels und Vorbeugen zeigt. Er reagiert demnach auf eine wahrgenommene Bedrohung - für die fütternde Hand zwar alles andere als angenehm, für das Rettungsteam aber ein erfolgsversprechender Schritt.
Nach ein paar Tagen lassen wir die Tür des Käfigs offen; der Jungvogel soll diesen verlassen und das grössere Gehege erkunden. Wir überspringen eine Mahlzeit und hoffen, ihn so für die Nahrungssuche herauslocken zu können.
Und siehe da - der Turmfalke kommt bereits wenige Minuten nach unserem Weggehen aus dem Käfig und setzt sich auf einen Ast. Zur Förderung des natürlichen Verhaltens sind im Gehege diverse Äste und Holzbretter installiert, damit sich die Vögel über dem Boden niederlassen können.
In den nächsten Tagen sehen wir regelmässig nach unserem kleinen Freund und achten darauf, dass er im Tagesverlauf seinen Standort wechselt. Wir entdecken ihn tatsächlich an unterschiedlichen Stellen im Gehege was bedeutet, dass er ohne Probleme herumfliegt!
Aus einem Versteck beobachtet ein Teammitglied während einiger Stunden den Jungvogel im Flug. Die Flügel scheinen in Ordnung zu sein.
Nach einem weiteren Tag in unserer Obhut kann der Tierfreund, der uns den Falken gebracht hat, seinen Schützling abholen. Es ist wichtig, dass ein Vogel möglichst bald dorthin zurückkehrt, wo er gefunden wurde.
Die Leiterin des Wohnheims lässt den jungen Turmfalken am Fundort frei. Ohne Probleme fliegt er auf einen Baum – eine gute Wahl in diesen schwülheissen Sommertagen!
Wir freuen uns, dass der kleine Vogel sich so gut erholt hat und wünschen ihm alles Gute in seiner gewohnten Umgebung.
