BANICHAN – EINBLICKE IN EINE KASTRATIONSAKTION

19 September 2023

Einmal mehr ist es so weit: Die Tierärzte im Einsatz starten ihre regelmässige Kastrationskampagne in der Umgebung des bulgarischen Dorfes Banichan.

Seit etwa einem Monat erhalten wir Anfragen von Ansässigen, die sich nach dem Starttermin erkundigen.

Ein weiterer erfreulicher Beweis, dass unsere Arbeit geschätzt wird und in der Gegend ein fester Bestandteil geworden ist.

Einerseits erhalten wir Buchungsanfragen, anderseits werden wir gebeten, einzelne Orte aufzusuchen. Wir erklären uns zu beidem bereit und stellen uns - nach dem nasskalten Frühling warm angezogen - auf zwei Wochen harte Arbeit ein. Mit jeder Kastrationskampagne möchten wir unseren Aktionsradius erweitern. Dies bedeutet zwar längere Reisen, bringt aber auch bessere Ergebnisse.


Wir beginnen mit einer Jagdhündin, die wir seit ihrem Welpenalter kennen. Nun ist es an der Zeit für die Kastration.

Der junge Mann, der angerufen hat, erwartet uns in der Innenstadt. Er arbeitet in einer Autowaschanlage, wo Mitarbeiter informell eine junge Hündin adoptiert haben. Es leben erstaunlich viele heimatlose Jagdhunde sowohl in der Stadt als auch im Bezirk Gotse Delchev. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Einige der Hunde gehen achtlos verloren, andere zeigen laut ihren Besitzern eine «schlechte Leistung» im Wald, sodass sie kurzerhand ersetzt und sich selbst überlassen werden. Manche landen bereits als Welpen auf der Strasse, weil ihre reinrassige Mutter keinen makellosen Wurf geboren hat. Apropos Mütter: Wenn sie eines Tages als zu alt für die Zucht angesehen werden, erleiden sie das gleiche Schicksal wie die erwähnten nicht mehr rentierenden Tiere. Dies, obschon sie jahrelang mit der Geburt unzähliger Welpen ihre Pflicht erfüllt haben.

Bedenklich ist auch die hartnäckige Weigerung der örtlichen Jäger, ihre Hunde kastrieren zu lassen. Sie folgen noch immer dem Mythos, wonach kastrierte Hunde schlechter auf der Jagd sein sollen. Daran ändern auch die zahlreichen Beweise nichts, dass jeder Diensthund seine Aufgaben besser und konzentrierter erledigt, wenn er kastriert ist.

Ob Jagdhund oder Haustier - diese alte Hündin aus einem nahegelegenen Dorf ist eines von vielen Beispielen für die beschriebenen «Entsorgungsmassnahmen». Sie wurde vermutlich aufgrund ihrer Hautkrankheit ausgesetzt. Ein alter, kranker, unerwünschter Hund - ein ausgetragenes Accessoire, das acht- und herzlos weggeworfen wird. Und so ist auch dieses Lebewesen schutzlos auf sich selbst gestellt. Im Gegensatz zu den auf der Strasse aufgewachsenen Hunden, hat diese Hündin ihr bisheriges Leben offenbar als Haustier verbracht und ist dem Strassendasein nicht gewachsen. Sie ist ein äusserst liebes, zutrauliches Tier, das auf menschliche Hilfsbereitschaft und Fürsorge angewiesen ist. Die Tierärzte im Einsatz kastrieren sie und geben ihr Medikamente gegen ihre Hautkrankheit. Wir vertrauen darauf, dass die Menschen, welche sie entdeckt hatten, ihr diese weisungsgemäss weiterhin verabreichen.

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In einem anderen Dorf haben wir auf einer Schaffarm alle Hände voll zu tun. Fünf oder sechs grosse, scheue und misstrauische Rüden haben auf der Farm ein Zuhause und Futter gefunden - im Gegenzug beschützen sie die Tiere des Besitzers. Den Hunden sind Leinen und dergleichen fremd, sie zeigen keinerlei Anzeichen von Gehorsam. Mit viel Mühe, Geduld und wohlschmeckender Bestechung können wir schliesslich drei von ihnen fangen.

Während unser Team auswärts seine Arbeit verrichtet, geht auch jene der Mitarbeiter in der Klinik unvermindert weiter. Aus einem Industriegebiet ausserhalb der Stadt Gotse Delchev werden mehrere Hunde gebracht. Sie begrüssen uns zu Beginn unseres Arbeitstages.

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Unsere beiden Schweizer Freundinnen Bettina und Marianne begleiten uns als engagierte Freiwillige bereits das zweite Jahr. Wir sind sehr froh über ihre wertvolle und tatkräftige Unterstützung.

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Auf der Strasse begegnen uns die verschiedensten Hundetypen. Die einen sind anhänglich und vertrauensvoll, andere scheu und ängstlich, etliche aber auch unnahbar und wild. Sie alle berühren unsere Herzen; wenn auch nur für eine kurze Zeit geben wir ihnen die Freundlichkeit und Zuneigung, die für jeden von ihnen selbstverständlich sein sollte.

Manche Tierschicksale gehen uns ganz besonders nah. So auch dasjenige der jungen, blinden Hundemutter aus einem umliegenden Dorf. Wir holen sie auf dem Dorfplatz für die Kastration ab. Herumstehende Leute erzählen, dass die Hündin nur noch einen Welpen aus ihrem Wurf hat, für die anderen wurde ein Zuhause gefunden. Sie sieht nicht untergewichtig aus; offenbar wird sie regelmässig gefüttert. Trotzdem fällt uns die Entscheidung schwer, sie zurück auf die Strasse zu schicken, aber wir haben keine andere Wahl. Sie hat ein Junges, für das sie sorgen muss – und wohl auch möchte.

 

Wir freuen uns sehr, die Besitzerin des örtlichen Lebensmittelgeschäfts kennenzulernen. Die junge Frau hat unsere blinde Patientin unter ihre Fittiche genommen, füttert sie und gewährt ihr bei Bedarf in ihrem Laden Unterschlupf. Sie hängt am liebenswerten Hund und möchte sich nicht von ihm trennen. Auch wenn die kleine Mutter kein festes Zuhause hat, ist sie doch nicht wirklich obdachlos. Das ist auch für uns eine grosse Beruhigung!

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Am Strassenrand treffen wir auf ein paar weitere Patienten. Aufgeregt und freundlich kommen sie auf uns zu, als wären wir alte Freunde.

Leider läuft es aber nicht immer so rund. Diese Hündin ist uns bekannt; mit ihrem mittlerweile erwachsenen Wurf streift sie ausserhalb des Dorfes durch unwegsames Gelände. Dort gibt es mehrere verlassene Gebäude und viel überwuchernde Vegetation, die aufgrund des regnerischen Frühlings ausser Kontrolle geraten ist. Ein perfektes Versteck für heimatlose Hunde. Nur abends kommen die hungrigen Tiere heraus und suchen nach Futter. Nähert sich ein Mensch, vergessen sie ihre Suche und rennen davon. So auch bei uns – lieber verzichten sie aufs Fressen, als uns zu trauen. Wir gehen wieder einmal mit leeren Händen und hoffen, dass es beim nächsten Mal klappt. Die Kastration ist wichtig, darf aber nicht zu mehr Hunger und Stress für die Tiere führen.

Auch die nächste Generation wächst in dieser von Menschen unberührten Umgebung auf - ein ganzes Rudel wilder Hunde werden wir künftig antreffen.

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Wir kommen in einem der Viertel von Gotse Delchev an, die hauptsächlich von Roma bewohnt werden. Ein Mann bittet uns, «seine» Katzen zu kastrieren. Die zahlreichen Streunertiere leben auf der Strasse vor seinem Haus, und er stellt ihnen freundlicherweise Futter und Wasser hin. Doch allmählich werden es zu viele, zumal in dieser Gegend oft auch die Menschen mit wenig auskommen müssen.

Das Roma-Viertel ist voll von Katzen. Trotz unserer Bemühungen haben sich die Leute noch nie mit dem Problem und unserer Arbeit beschäftigt. Diesmal haben wir jedoch einen Durchbruch erzielt. Die Kampagne neigt sich dem Ende entgegen, für die nächste haben wir jedoch bereits ein paar Tage in diesem Bezirk reserviert.

Die Bilanz: 400 kastrierte und sterilisierte Hunde und Katzen. Auch wenn das erfreulich ist, konzentrieren wir uns stets auf das, was noch zu tun ist. Bis zum nächsten Mal geben wir uns mit diesem Ergebnis aber zufrieden.

Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen